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Wir sind nicht blöd!

Haben Sie schon einmal jemanden gesehen, der beim Einkaufen alles dicht vor das Gesicht hält? Wir müssen das, denn sonst können wir die Aufschriften etc. nicht lesen. Aber oft werden wir deshalb von Verkäuferinnen oder anderen Menschen unfreundlich angesprochen: »Musst Du denn alles anfassen?«
Das Problem ist, dass man uns unsere Sehschwäche nicht ansieht. Manche von uns tragen keine Brille, weil sie nichts hilft! Andere wiederum tragen Kontaktlinsen oder eine Brille. Damit ist uns leider nur gering geholfen, denn eine Brille kann uns höchstens das nur eine bisschen näher heranholen, was wir ohnehin nur schemenhaft erkennen. Aber trotzdem sind wir nicht blöd, wie viele in unserer modernen Gesellschaft leider immer noch glauben!
Uns fehlt es zwar in einer fremden Umgebung oft am Überblick, aber den Durchblick haben wir! Nach Abschluss der Schule können wir in vielen Berufen normal arbeiten oder wenige spezielle Geräte ermöglichen uns eine normale Arbeit!

Claudia, 14
Carola, 15


Die Entregelung der Sinne (von Eduard Kopp)

Sehen wir nur, was wir sehen wollen?

Aus Bequemlichkeit oder Scham lassen wir uns viele Erfahrungen entgehen. Hartnäckig behaupten sich einmal erworbene Sichtweisen und Rituale

Ein junger Mann kommt zu einem Zen-Meister. Von ihm möchte er die Kunst der Meditation erlernen. Während der junge Mann seine Wünsche schildert, gießt der Meister Tee in eine Schale. Er gießt immer weiter ein, auch als der Tee bereits überfließt. Der Schüler springt auf, ruft: „Halt, halt! Es geht nichts mehr in die Schale hinein, sie ist längst voll!“ Der Meister lacht und sagt: „Wie soll ich dich in die Meditation einführen, denn du bist gefüllt wie diese Schale? So ist es: Nur wenn etwas leer ist, läßt sich etwas einfüllen.“

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Einsichten

Blind

Im Neuen Testament „typhlos“ (griech.). Damit wird nicht nur das Nicht-sehen-Können, sondern auch das Nicht-gesehen-werden-Können bezeichnet. Dieser Begriff ist urverwandt mit dem althochdeutschen „tump“ = neuhochdeutsch „dumm“ und althochdeutsch „toup“ = taub.
Diese sprachliche Verwandtschaft lässt noch die Grundbedeutung von „verstopft, undurchlässig“ (z.B. von Flußmündungen, Seen, Untiefen) erkennen. In aktiver Bedeutung eigentlich „nicht sehend, blind“; übertragen „verblendet, geistig und moralisch blind“. In passiver Bedeutung „ungesehen, verborgen, dunkel“.

Auffällig ist im Neuen Testament die begriffliche Nähe des Wortes blind „typhlos“ zu „typhos“ – Nebel. Das Erfahrungswissen vieler Blinder bestätigt diesen Zusammenhang: Von Sehenden zu Blinden besteht oft genug ein „Nebel“ und ein „Dunst“ in der Wahrnehmung, im Verständnis, in der Kommunikation. Von vielen ist zu hören: Das wirklich Schwierige ist für mich nicht das Blindsein, sondern das Übersehen-Werden.

Das Auge …

„ … vermittelt uns eine objektivierte Welt, in die die Erfahrungen der übrigen Sinne nachträglich eingeordnet werden. Und wenn es als Eigentümlichkeit des Menschen gelten muß, die Welt in der Form mannigfach gegliederter Gegenständlichkeiten gegenüber zu haben, so ist gerade er – der Mensch – wie kein anderes Lebewesen ein Augen-wesen.
Das Auge ist für ihn das wichtigste Führungsorgan bei seiner Orientierung innerhalb des Lebensraumes. Wenn wir versuchen, uns einzufühlen in jene Menschen, die den Gesichts-Sinn verloren oder nie besessen haben, dann wird es klar, wie mit einem Schlag eine Welt erlischt, die den Glücklicheren, die sehen können, erschlossen ist – die Welt der Farben und Formen, des Himmels und der Erde, des Vordergrunds und der Ferne bis hin zu jenem Horizont, an dem Himmel und Erde sich berühren.
Und wenn der Mensch Überblick zu gewinnen sucht über die Welt und wesentlich in diesem Überblick lebt, so enthält schon der Begriff Überblick den Hinweis, daß die menschliche Welt vorwiegend eine gesehene Welt ist.“

(Ph. Lersch: „Vom Aufbau der Person“)


Hoffnung, blindenseelsorgerische Ökumene und unvergessliche Tage

Ein Bericht vom 2. Ökumenischen Kirchentag in München – von Christoph Bungard

Am 16. Mai lädt das Wetter nicht gerade zu einem Ausflug ins Freie ein: Es nieselt leicht und mit etwa sieben Grad Celsius ist es für die Jahreszeit viel zu kühl. Trotzdem bin ich bereits kurz nach halb zehn gemeinsam mit meinem Begleiter Hans Müller auf der Münchner Theresienwiese, um den Abschlussgottesdienst des 2. Ökumenischen Kirchentags (ÖKT) mitzuerleben. Durch die dichte Menschenmenge hatten wir uns zu unseren reservierten Sitzplätzen in Block A vorgekämpft.

Hans Müller ist ein lustiger Franke in den Sechzigern. Wir gehören einem Team blinder sehbehinderter und Sehender evangelischer und katholischer Freiwilliger an, die vom 13. bis zum 16. Mai auf dem ÖKT die Arbeit der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge beider Konfessionen vorgestellt haben. Ich selbst bin evangelisch und von Geburt an vollblind. Für die evangelische Blindenseelsorgerin für München, Dr. Elisabeth Schneider-Böklen, war es ein Leichtes gewesen, mich zum Mitmachen zu überreden. Dies ist für mich bereits das zweite Mal, dass ich auf einem Kirchentag aktiv mitgewirkt habe: 1995 hatte ich gemeinsam mit einer Gruppe blinder und sehender Funkamateure unser völkerverbindendes Hobby den Besuchern des Evangelischen Kirchentags in Hamburg näher gebracht.

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