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Blind

Im Neuen Testament „typhlos“ (griech.). Damit wird nicht nur das Nicht-sehen-Können, sondern auch das Nicht-gesehen-werden-Können bezeichnet. Dieser Begriff ist urverwandt mit dem althochdeutschen „tump“ = neuhochdeutsch „dumm“ und althochdeutsch „toup“ = taub.
Diese sprachliche Verwandtschaft lässt noch die Grundbedeutung von „verstopft, undurchlässig“ (z.B. von Flußmündungen, Seen, Untiefen) erkennen. In aktiver Bedeutung eigentlich „nicht sehend, blind“; übertragen „verblendet, geistig und moralisch blind“. In passiver Bedeutung „ungesehen, verborgen, dunkel“.

Auffällig ist im Neuen Testament die begriffliche Nähe des Wortes blind „typhlos“ zu „typhos“ – Nebel. Das Erfahrungswissen vieler Blinder bestätigt diesen Zusammenhang: Von Sehenden zu Blinden besteht oft genug ein „Nebel“ und ein „Dunst“ in der Wahrnehmung, im Verständnis, in der Kommunikation. Von vielen ist zu hören: Das wirklich Schwierige ist für mich nicht das Blindsein, sondern das Übersehen-Werden.

Das Auge …

„ … vermittelt uns eine objektivierte Welt, in die die Erfahrungen der übrigen Sinne nachträglich eingeordnet werden. Und wenn es als Eigentümlichkeit des Menschen gelten muß, die Welt in der Form mannigfach gegliederter Gegenständlichkeiten gegenüber zu haben, so ist gerade er – der Mensch – wie kein anderes Lebewesen ein Augen-wesen.
Das Auge ist für ihn das wichtigste Führungsorgan bei seiner Orientierung innerhalb des Lebensraumes. Wenn wir versuchen, uns einzufühlen in jene Menschen, die den Gesichts-Sinn verloren oder nie besessen haben, dann wird es klar, wie mit einem Schlag eine Welt erlischt, die den Glücklicheren, die sehen können, erschlossen ist – die Welt der Farben und Formen, des Himmels und der Erde, des Vordergrunds und der Ferne bis hin zu jenem Horizont, an dem Himmel und Erde sich berühren.
Und wenn der Mensch Überblick zu gewinnen sucht über die Welt und wesentlich in diesem Überblick lebt, so enthält schon der Begriff Überblick den Hinweis, daß die menschliche Welt vorwiegend eine gesehene Welt ist.“

(Ph. Lersch: „Vom Aufbau der Person“)